Dienstag, 6. September 2016

Deutsche Synchronisation damals und heute

Liebe Leser/innen,

ich melde mich einmal wieder mit einem eher kritischen Beitrag. Einstweilen ist das auch ganz gut zwischen all den euphorischen Berichten zu Conventions oder dergleichen. ^^

Genauso wie ich mich dem Thema 'die DVDs/BluRays sind ja sooo teuer' bzw. generell der Preisfrage von Fan-Merchandise beschäftigt habe (könnt ihr sehr, sehr gerne auf meinem Blog nachlesen ;D ), möchte ich dieses Mal einen genaueren Blick auf das Thema 'Deutsche Synchronisation' werfen,

Oft sind Kommentare in den Social Medias zu lesen:
"...früher war alles viel schöner..."
"...ich will die alten/damals verwendeten Stimmen wieder haben"
"...diese Stimme geht ja gar nicht, weil ich sie mit [Rolle XY] verbinde"
"...total emotionslos und dahin gesprochen...ohne Herz"
und vieles mehr...

Welche Prozesse stecken dahinter bis zur finalen Veröffentlichung?
1) Lizenzvergabe
2) Sprecher/innen besetzen ggf. in Abstimmung mit Lizenzgeber
3) Zulieferer für Verpackung, Design, Pressen, ggf. Druck separat, etc. identifizieren und festlegen
4) Dialogbuch durch Dialogregisseur aufsetzen lassen ggf. in Abstimmung mit Lizenzgeber
5) tatsächliche Synchronisation des Materials
6) Freigabe durch Lizenzgeber einholen
7) Vertriebswege festlegen, UVP definieren, ggf. Marketingmaßnahmen initiieren
8) Veröffentlichung des Produkts

Grundsätzliche bzw. allgemeine Fragen:
"Darf ein/e Sprecher/in nur eine einzige Rolle in seinem/ihrem Leben sprechen?"
- Meine Haltung dazu, ganz klar NEIN. Natürlich haben derart festgelegte Sprecher/innen, z.B. Sabine Bohlmann aka Lisa Simpson oder Caroline Combrinck aka Ash Ketchum dasselbe Problem wie bekannte Schauspieler, z.B. Daniel Radcliff aka Harry Potter oder Robert Pattinson aka Edward Cullen; Trotzdem haben auch die deutschen Sprecher/innen das Recht mehrere Rollen sprechen zu dürfen und die Chance zu bekommen aus ihrer Nische herauszukommen. Ohne Frage gelingt es dem einen besser als dem anderen, aber vom Prinzip her, bin ich der Auffassung, daß hier Vielfalt herrschen darf.

"Wieso klingt er/sie so komisch?"
- I.d.R. legt die Dialogregie fest, wie etwas bzw. jemand zu klingen hat. Natürlich ist insb. heute das Ziel dem Original möglichst nahe zu kommen. Schwierig ist das natürlich, wenn etwas synchronisiert werden soll, was schon einmal herausgekommen ist und neu aufgelegt wurde. Niemals werden es die Beteiligten allen Fans der jeweiligen Community recht machen können. Hier gilt daher das Gebot der Fairness. Freut euch darüber und bezieht mit ein 'das ist jetzt etwas Neues. Es wurde sich Mühe gegeben in den vorhandenen Möglichkeiten'.

"Ich will die 'alte/n' Stimme/n wieder!"
- Vereinzelt kommt es vor, daß insb. bei Serien  nicht durchweg ein und derselbe Sprecher/in seine/ihre Rolle mit Leben erfüllt. Dies kann mehrere Ursachen haben: 1) der/die Sprecher/in ist verstorben - the show must go on, weil nur deswegen die Serie in Deutschland einstellen? Hier gilt es natürlich sensibel mit der Nachfolge zu sein, was z.B. bei 'The Simpsons' mit der neuen Homer-Stimme ganz gut gelungen ist. 2) der Lizenzgeber (z.B. Toei und Co.) möchte frische/neue Stimmen haben - hier können die Fans geschlossen per Petition oder Umfrageergebnisse etwas erreichen. Gutes Beispiel Sabine Bohlmann als Sailor Moon in Sailor Moon Crystal oder den 'alten Sprecher-Cast' im Spielfilm 'Dragonball Z Resurrection F'. 3) der/die Sprecher/in ist aufgrund anderer Engagements zeitlich nicht in der Lage gleichzeitig für Aufnahmen ins Studio zu kommen.

Durch zahlreiche Q&A Panels (zu Deutsch: Frage-Antwort-Runde) habe ich von den verschiedenen Synchronsprecher/innen Einiges zum Thema 'Synchronisation' erfahren. Einige von ihnen sind schon altgediente Hasen im Geschäft, wohingegen andere noch recht frisch sind. 
 
Synchronisation vor 20 Jahren

Zum einen waren damals die Preise niedriger, sowie die Gehälter niedriger als heute. Des Weiteren erlebte das Thema Anime/Manga in den 90ern seine Blüte und fulminantes Wachstum und setzte sich in der deutschen Gesellschaft fest. Das Thema war extrem populär und aus zig Richtungen (Vertriebskanäle, Lizenznehmer) wurde sich mit diesem Thema beschäftigt. Der Markt wurde förmlich geflutet mit Ware zum Thema Anime/Manga.

Ich möchte euch versuchen zu erklären, wie das damals so im Studio lief: Der Lizenznehmer für das Verbreiten über DVD etc. hat nachdem er den Zusage bekommen hat, ein Vorsprechen organisiert. So etwas kann unterschiedlich laufen: Entweder werden gezielt bestimmte Sprecher/innen durch den Dialogregisseur angesprochen, da sie die Stimme aus anderen Projekten kennen. Oder sie wenden sich an eine Agentur und lassen sich Vorschläge machen bzw. durch die Agentur als geeignet befundene Sprecher/innen kommen zum Vorsprechen. Einige Sprecher/innen haben bereits sog. Demo-Tapes (im Internet leicht zu finden) oder sogar kleine Video-Clips, wenn sie sich auch schauspielerisch präsentieren möchten.

Früher wurde oftmals in der Gruppe eingesprochen. Soll heißen, daß am Beispiel 'Sailor Moon' nicht jeder einzeln für die Szene X in die Kabine ging, sondern alle gemeinsam in einem Raum standen. Sie konnten zusammen am Mikrofon stehen, somit emotional 'vermeintlich' besser aufeinander reagieren und so im Endergebnis ein dynamischeres Ergebnis abliefern. Die Problematik hierbei ist natürlich etwaige Nebengeräusche und das ggf. alles komplett neu eingesprochen werden muß. Zeit bedeutet Geld und je länger die Produktion dauert, desto höher am Ende auch der Verkaufspreis um neben der Kostendeckung auch etwas Gewinn zu erwirtschaften.


Synchronisation wie es heute zumeist abläuft

Mittlerweile gibt es nicht nur einige wenige Sprecher/innen, sondern sehr Viele. Die Studios kämpfen um ihre Aufträge und unterbieten sich zuweilen mit den Preisen und/oder der Arbeitszeit. Es gibt Sprecher/innen, die wie am Fließband sprechen. Eine Rolle bzw. Take nach dem anderen, um so auf ein anständiges Gehalt zu kommen. In ganz seltenen Fällen können Sprecher/innen ausschließlich von der Synchronisation leben. Viele haben einen oder mehrere weitere Jobs! Die Sprecher/innen sind jeder für sich allein im Kämmerchen und sprechen ihre Texte am Stück ein.

Es wird nicht z.B. Episode für Episode erst gemacht, sondern Sprecher X wurde auf Rolle A gesetzt, somit wird sämtlicher Text zu Rolle A en blocke abgearbeitet. Im Nachgang setzt das Studio die Tonspuren aller Stimmen in den jeweiligen Episoden zusammen. Vorteil: Weniger Nebengeräusche und wenn ein/e Sprecher/in einen Take versemmelt, muß nicht gleich alles von allen erneut aufgenommen werden, sondern zumeist nur eine kleine Passage. Die Computertechnik hilft hierbei natürlich auch ein gutes Stück! So werden eingesprochene Textpassagen, die wiederholt vorkommen (z.B. Verwandlungs- oder Attackensprüche) nicht mehrfach eingesprochen, sondern nur einmal um anschließend die Tonspur technisch zu kopieren mittels Computertechnik.



Fazit: Seid den Sprechern/innen gegenüber fair. Sie machen nur ihren Job so wie es ihnen gesagt wird. Sie sind NICHT hauptverantwortlich. Ob sie etwas bzw. jemanden sprechen dürfen, hängt von vielen Faktoren ab, die sie nur bedingt (wenn überhaupt) beeinflußen  können. Konstruktive Kritik ist immer gern gesehen, aber ein lapidares (zumeist ausschließlich in den Social Media-Plattformen kommuniziertes) 'ich find XY scheiße' hilft niemandem, richtig? Nutzt Conventions und befragt die Sprecher/innen persönlich.


Ich hoffe euch damit etwas deutlich machen zu können, was das Thema Synchronisation in Deutschland bedeutet. Bei Fragen, gerne fragen! :D


Annotation: Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. :)

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